Edward Guthrie und das Kontiguitätsgesetz
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Edward R. Guthries psychologische Aussagen gruppieren sich um das so genannte Kontiguitätsgesetz. Kontiguität ist ein in der Psychologie im Zusammenhang mit Lernen, besonders mit dem Klassischen Konditionieren, häufig benutzter Begriff. Er bezeichnet die zeitlich und räumlich nahe Paarung von Reiz und Reaktion. Eine Aussage, welche Rolle Kontiguität bei der Bildung von Assoziationen zwischen Reizen und Reaktionen spielt, ist damit aber noch nicht verbunden. Diese Aufgabe kommt einem Modell oder einer Theorie zu. Eine Theorie, die die Bedeutung von Kontiguität herausstellt, ist das Kontiguitätsgesetz von Guthrie.

Guthries Kontiguitätsgesetz besagt, daß eine Bewegung, die von einer Kombination von Reizen begleitet wurde, beim erneuten Auftreten der Reizkombination erneut zu erscheinen tendiert (Guthrie, 1952). Guthrie meint, daß jedes Lernen auf einer Reiz-Reaktions-Assoziation beruht. Bewegungen sind kleine Reiz-Reaktions-Kombinationen. Diese Bewegungen bilden eine Handlung. Ein gelerntes Verhalten besteht aus einer Reihe von Bewegungen. Die Entwicklung einer Handlung aus Bewegungen braucht Zeit. Guthrie nahm an, daß Lernen einem Zuwachs entspricht. Einige Verhaltensweisen beinhalten die Wiederholung von Bewegungen und gelernt werden Bewegungen, nicht Verhaltensweisen.

Guthrie sagt weiter, daß jede Bewegung Reize produziert und diese Reize dann konditioniert werden. Jede Bewegung dient als Reiz für viele Sinneszellen in Muskeln, Sehnen und Gelenken. Reize, die zur gleichen Zeit wie die Reaktion auftreten, werden zu konditionierten Reize für diese Reaktion. Bewegungsproduzierte Reize sind zu konditionierten Reizen der Abfolge von Bewegungen geworden. Die Bewegungen formen eine Reihe, die häufig als Habit bezeichnet wird. Sie werden häufig als Formen von Konditionierung oder Assoziation klassifiziert. Einige Verhaltensweisen beinhalten die Wiederholung von Bewegungen, so daß die Konditionierung geschehen kann, lange nachdem der ursprüngliche Stimulus aufgetreten ist.

Guthrie lehnte das Gesetz der Häufigkeit ab, demzufolge die Assoziation zwischen Reiz und Reaktion durch die Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens von Reiz und Reaktion zustande kommen sollte. Er betonte das „one-trial learning“. „One-trial learning“ besagt, daß ein Muster von Reizen seine volle assoziative Stärke bei der ersten Paarung mit der Reaktion erreicht. Außerdem lehnte Guthrie das Verstärkungslernen ab und definierte Verstärkung als alles, was die Reizsituation für einen lernenden Organismus verändert (Thorne & Henley, 1997). Seine Ablehnung des Verstärkungslernen basiert auf seiner Ansicht, daß die Verstärkung erst nach der Assoziationsbildung zwischen Reiz und Reaktion auftritt. Im Gegensatz dazu vertrat er die These, daß Lernen der Prozeß ist, bei dem neue Stimuli zu Hinweisen für bestimmte Reaktionen werden (Sills, 1968).

Nach Guthrie sollte das „recency principle“ eine integrierende Rolle im Lernprozess einnehmen. Dieses Prinzip besagt, daß dasjenige, das zuletzt in der Gegenwart einer Menge von Reizen getan worden ist, dasjenige ist, das wieder auftreten wird, wenn die Stimuluskombination wieder auftritt. Guthrie betonte die zeitliche Relation zwischen dem substituierenden Reiz und der Reaktion. Er nahm an, daß die assoziative Stärke größer ist, wenn die Assoziation neu ist. Wenn zwei Assoziationen, die den gleichen Reiz beinhalten, zur gleichen Zeit auftreten, dann sollte diejenige stärker sein, die als letzte von beiden gebildet wurde. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, daß die Assoziationen mit der verstrichenen Zeit seit der ersten Paarung von Reiz und Reaktion schwächer werden.

Die Kontiguitätstheorie beinhaltet die Vorstellung, daß Vergessen eine Form der retroaktiven oder assoziativen Hemmung ist. Assoziative Hemmung kommt zustande, wenn ein Habit einen anderen verhindert, was auf einige stärkere Reize zurückzuführen ist, die mit dem einen Habit verbunden sind. Guthrie meint, daß Vergessen auf Interferenz zurückzuführen ist, weil Reize mit neuen Reaktionen verbunden werden. Er nahm an, daß Ablenkung benutzt werden kann, um frühere Konditionierungen zu verändern. Dieser Prozeß beinhaltet die Ermittlung der ursprünglichen Reize des Habits und die Assoziierung anderen Verhaltens mit diesen Reizen. Ablenkung bricht nach dieser Vorstellung also die internen Assoziationen auf. Andere Methoden zur Auflösung eines Habits schließen die Schwellen-, Ermüdungs- und die inkompatible Reaktionsmethode ein. Ermüdung wird als Veränderung in den das Verhalten beeinflussenden chemischen Zuständen in Muskeln und Blut angesehen. Sie hat einen Effekt in der Abnahme konditionierter Reaktionen. Die Schwellenmethode beinhaltet die Präsentation der Reize auf einem so niedrigem Niveau, das die Reaktion nicht auftritt. Der Reiz wird dann intensiviert, um die Reaktionsschwelle zu erhöhen. Die inkompatible Reaktionsmethode besteht in der Präsentation des die Reaktion auslösenden Reizes in einer Situation, in der andere Reize die Reaktion verhindern (Thorne & Henly, 1997).

Im Gegensatz zum Prozeß des Vergessen, der durch Ablenkung zustande kommen soll, wird angenommen, daß Erregung sowohl Lernen als auch die Stereotypisierung eines Habits beschleunigt. Hier kommt die Vorstellung zum Tragen, daß der Konflikt, der die Erregung verursacht hat, den alten Habit aufbricht.

Guthrie nutzte seine Kontiguitätstheorie während seiner Zeit an der University of Washington. Er meinte, daß „wir nur lernen, was wir selbst tun“ (Sills, 1968). Damit wollte er ausdrücken, daß das Individuum die Reaktionen, die es in der Gegenwart bestimmter Reize zeigen soll, selbst ausführen muß. Er betonte außerdem, daß die Umstände verändert werden müssen, um weiteres Lernen zu ermöglichen. Lehrer dagegen begrenzen ihr Engagement im Klassenraum, um das Lernen der Schüler anzuregen. Dadurch erlauben sie den Schüler die Reaktionen ohne die Reize durch den Lehrer zu zeigen. Guthrie interessierte sich stark für die Evaluation der Lehrfertigkeiten. Er betonte die Idee, daß die Umstände, unter denen die erwünschten Reaktionen auftreten sollten, so nahe an denen sein sollten, die momentan vorhanden sind (Sills, 1968).

Literaturempfehlung:

Guthrie, Edwin R. (1946). Psychological facts and psychological theory. Psychological Bulletin, 43, 1-20.


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