Behavioristisches Manifest
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Als John B. Watson 1913 seinen Artikel „Psychology as the Behaviorist views it“ in der Psychological Review veröffentlichte, legte er den Grundstein für die aufkommende neue Richtung des Behaviorismus. Daher wird dieser Artikel als “Behavioristisches Manifest” bezeichnet. In ihm wandte sich Watson gegen die damalige Auffassung einer Psychologie, die in erster Linie dem Studium des Bewußtseins verpflichtet war und als deren hauptsächliche Methode die Introspektion zum Einsatz kam. Er umriß dagegen den Gegenstands- und Forschungsbereich einer behavioristischen Psychologie - einer Psychologie, die er als objektive Naturwissenschaft vom Verhalten definierte:

    “Psychologie, wie sie der Behaviorist sieht, ist ein vollkommen objektiver, experimenteller Zweig der Naturwissenschaft. Ihr theoretisches Ziel ist die Vorhersage und Kontrolle von Verhalten. Introspektion bildet weder einen essentiellen Teil ihrer Methoden, noch hängt der wissenschaftliche Wert ihrer Daten davon ab, inwieweit sie sich zu einer Interpretation in Bewußtseinsbegriffen eignen. Bei seinem Bemühen, ein einheitliches Schema der Reaktionen von Lebewesen zu gewinnen, erkennt der Behaviorist keine Trennungslinie zwischen Mensch und Tier an. Das Verhalten des Menschen in all seiner Feinheit und Komplexität macht nur einen Teil der behavioristischen Forschungen aus” (Watson, 1913, S. 158).

Watsons (1913) Kritik richtete sich gegen

1. die Konzentration der Psychologie ausschließlich auf Fragen des Bewußtseins, so daß Verhaltensdaten aus Tierstudien keinen Wert für die Psychologie haben, wenn sie Bewußtseinsprobleme nicht betreffen;

2. die mangelnde Reproduzierbarkeit psychologischer Forschungsergebnisse aufgrund der verwendeten Methode der Introspektion.

Er schlug daher vor, daß die Psychologie das Bewußtsein aufgeben und sich nicht mehr verleiten lassen sollte, mentale Zustände als Objekte der Beobachtung zuzulassen. Er kritisierte weiter, daß sich die Psychologen so sehr in die Spekulation über die Elemente des Geistes und die Natur bewußter Inhalte verstrickt hätten, daß sie keine Übereinstimmung untereinander mehr erzielten, was sie unter bestimmten Begriffen wie z.B. “Sinneseindruck” verstünden:

    „Ich bezweifle, daß irgendein Psychologe eine Menge von Aussagen nennen kann, die beschreibt, was er unter „Sinneseindruck“ versteht, und mit der drei Psychologen anderer Richtungen übereinstimmen.“

Ausgehend von seiner Kritik entwarf Watson (1913) eine Psychologie als Wissenschaft des Verhaltens, die naturwissenschaftliche Prinzipien verfolgen sollte. Solche Begriffe wie Bewußtsein, mentale Zustände, Geist oder Wille fänden darin keinen Platz mehr. Dafür könne sie Verhalten in Begriffen von Reiz, Reaktion, Gewohnheits-Bildung und Gewohnheits-Integration betrachten.

Folgende Annahmen sah Watson (1913) als Basis seiner Psychologie an:

1. Organismen (Menschen und Tiere) passen sich durch vererbte und erworbene Mechanismen an ihre Umwelt an.

2. Die Anpassung kann adäquat oder weniger adäquat sein. Bezugspunkt ist das Überleben des Individuums.

3. Bestimmte Reize (“stimuli”) der Umwelt führen zu Reaktionen (“responses”) des Organismus.

4. Einer vollentwickelten Psychologie sollte es möglich sein, bei gegebener Reaktion den auslösenden Reiz, bei gegebenem Reiz die ausgelöste Reaktion vorherzusagen.

Watson (1913) verstand diese Annahmen als einen extremen Rohentwurf, der im Laufe der wissenschaftlichen Forschung weiterentwickelt und verfeinert werden sollte. Erkenntnisse sollten durch Laborexperimente an Tieren wie an Menschen gewonnen werden. Dabei ging er davon aus, daß sich menschliches Verhalten von tierischem nur durch den Grad an Komplexität unterscheidet. Die durch experimentelle Forschung gewonnenen Erkenntnisse könnten in der Praxis angewendet werden.

Literaturempfehlung:

Watson, J. B. (1913). Psychology as the behaviorist views it. Psychological Review, 20, 158-177.


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