Ursachen und Therapie
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Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für die Somatoformen Störungen. Im folgenden sollen der  psychodynamische, der verhaltenstherapeutische und der emotionspsychologische Ansatz vorgestellt werden. Anschließend wird kurz auf die Therapie der Somatoformen Störungen eingegangen.

Psychodynamischer Erklärungsansatz

Bei der Konversionsstörung werden die körperlichen Beschwerden als Zeichen der Umwandlung (Konversion) emotionaler unbewußter Konflikte angesehen. Freud nahm an, daß die Ursache für die Störung in der phallischen Phase (3. bis 5. Lebensjahr) liegt, in der Töchter sexuelle Gefühle für den Vater entwickeln und in einer Konkurrenz zur Mutter stehen (weiblicher Ödipuskomplex). Bei einer Überreaktion der Eltern auf diese Gefühle bleibe der Konflikt ungelöst, wodurch eine lebenslange Angst vor sexuellen Triebregungen entstehe: Immer wenn Ereignisse sexuelle Empfindungen auslösten, könne die erwachsene Frau mit psychischen Abwehrmaßnahmen reagieren. Bei manchen Frauen sollen diese Abwehrmaßnahmen in der unbewußten Umwandlung widersprüchlicher Triebregungen in körperliche Symptome bestehen.

Die Umwandlung in sichtbare körperliche Symptome stellt laut psychodynamischer Auffassung den sogenannten primären Krankheitsgewinn dar. Tiefenpsychologen gehen davon aus, daß durch die Umwandlung der starke Druck der unbewußten Konflikte auf das Bewußtsein gemildert wird. Als sekundären Krankheitsgewinn bezeichnen sie den Effekt, daß die Betroffenen ihnen unangenehme Aktivitäten aufgrund ihrer Symptome vermeiden können (sie haben “Ausreden”) und daß sie von anderen freundlich und mitfühlend behandelt werden. Während der primäre Krankheitsgewinn für die Entstehung der körperlichen Symptome verantwortlich gemacht wird, hält der sekundäre Krankkeitsgewinn sie mit aufrecht.

Während bei der Konversionsstörung die körperlichen Beschwerden rein psychisch bedingt sein sollen, beziehen sich die Ängste bei der Hypochondrie auf tatsächlich vorhandene körperliche Ereignisse, die jedoch im Bereich der normalen Funktionen liegen. Dies begründet nach Freud den Unterschied der Aktualneurosen, zu denen er die Hypochondrie zählte, von den Psychoneurosen, unter die er die Konversionsstörung einordnete. Aber auch die Aktualneurosen sah Freud als durch eine “abnorme Verwendung” sexueller Triebenergien verursacht an und bezeichnete sie als direkte körperliche Folge sexueller Störungen. Eine Kombination beider Neuroseformen z.B. in Form von “Aktualneurosen bei psychoneurotischer Affektion” sei häufig (siehe Freud, S. [1917] “Die gemeine Nervosität” in Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, S. 375/76).

Die Beschreibung eines Fallbeispiels einer 19jährigen Hypochonderin aus psychodynamischer Sicht können Sie sich hier ansehen.

Verhaltenstherapeutische Ansätze

Nach klassisch verhaltenstherapeutischer Ansicht stellen die körperlichen Symptome für die Betroffenen Möglichkeiten dar, positiv und negativ verstärkt zu werden. Die positive Verstärkung soll dadurch geschehen, daß die Betroffenen Aufmerksamkeit und Zuwendung von Angehörigen, Freunden und auch Ärzten erhalten. Negative Verstärkung soll dadurch stattfinden, daß die Betroffenen keine unangenehmen Tätigkeiten (z.B. Hausarbeit) ausführen müssen, weil sie die körperlichen Beschwerden als Gründe angeben können, warum ihnen diese Tätigkeiten schwerfallen.

Oberflächlich betrachtet ist der klassisch verhaltenstherapeutische Ansatz dem psychodynamischen ähnlich. Der Unterschied besteht jedoch darin, daß keine unbewußten Konflikte angenommen werden, welche die Störung primär verursachen. Stattdessen werde die Konsequenzen der Symptome, also die Vorteile, die die Betroffenen aus der Reaktion der Umwelt auf die Symptome ziehen (der “sekundäre Krankheitsgewinn” in psychodynamischer Sprechweise), als verursachend angesehen.

Neuere kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze sehen Somatoforme Störungen als Kommunikationsformen, durch die es den Betroffenen gelingt, solche Gefühle auszudrücken, die sie anders nicht ausdrücken können. Solche Gefühle sollen sie in körperliche Symptome umwandeln, jedoch nicht im Sinne der Abwehr von z.B. Angst, wie es die psychodynamischen Theorien sehen. Es sollen solche Personen für Somatoforme Störungen anfällig sein, die Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle zu erkennen oder auszudrücken, besonders wenn sie sich in einer schwierigen zwischenmenschlichen Situation befinden. Auch diejenigen, die die Sprache der körperlichen Störungen durch unmittelbare Erfahrung einer echten körperlichen Krankheit – entweder bei sich selbst oder bei einem Angehörigen oder Freund – erlernt haben, sollen für somatoforme Störungen leichter empfänglicher sein.

Emotionspsychologischer Ansatz

Diesem Ansatz zufolge werden körperliche Mißempfindungen, die bis zu einem gewissen Grade normal sind, als Anzeichen für Krankheiten interpretiert. Studien konnten zeigen, daß Patienten mit Somatoformen Störungen eine andere Einstellung zu körperlichen Mißempfindungen haben. Sie schätzen sie als katastrophaler ein als Menschen, die diese Störung nicht aufweisen. Diese unterschiedliche Einschätzung wird als Ursache für eine selektive Aufmerksamkeit und ein Selbstbild angesehen, das die Patienten als schwach und körperlich wenig belastbar beschreibt. Es fehlt jedoch noch der Nachweis, daß solche Einstellungen Risikofaktoren für die Entwicklung einer Somatoformen Störung sind.

Therapie der Somatoformen Störungen

Bei Somatoformen Störungen werden eine Reihe von Therapieansätzen angewendet

Psychodynamische Therapien zielen gemäß der psychodynamischen Sicht auf die Störungen darauf ab, daß den Patienten die unbewußten Konflikte bewußt werden, wodurch der Grund entfallen soll, körperliche Symptome zu entwickeln.

In der Hypnose wird versucht, den Patienten zu suggerieren, daß ihre Beschwerden verschwinden.

Ein kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansatz stammt von Rief (1995). Der Therapeut solle die Beschwerden der Patienten anerkennen und sie nur vorsichtig mit psychischen Prozessen in Verbindung bringen. Über ein gestuftes Programm wird versucht, den Patienten zu einer Psychotherapie zu motivieren und seine Therapieerwartungen - weg von einer Heilung und hin zu einer Reduktion der Beschwerden - zu verändern. In der kognitiven Verhaltenstherapie wird dann ein Abbau von Vermeidungs- und Schonverhalten, eine kognitive Neubewertung der Situation des Patienten und eine Verbesserung der Kommunikation über Gefühle angestrebt.


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