Panikattacken, Panikstörung und Agoraphobie
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Übersicht

Panikattacken und Agoraphobie

Panikstörungen

Vermutete Ursachen von Panikstörungen

Therapie von Panikstörung und Agoraphobie

Ratgeber und Selbsthilfemanuale

 

Panikattacken und Agoraphobie

In den Klassifikationssystemen psychischer Störungen ist genau definiert, was unter einer Panikattacke verstanden werden soll. DSM-IV gibt z.B. für eine Panikattacke an:

"Eine Panikattacke ist eine klar abgrenzbare Episode intensiver Angst und Unbehagens, bei der mindestens 4 der nachfolgend genannten Symptome abrupt auftreten und innerhalb von 10 Minuten einen Höhepunkt erreichen:

  1. Palpitationen (Herzrasen), Herzklopfen oder beschleunigter Herzschlag,
  2. Schwitzen,
  3. Zittern oder Beben,
  4. Gefühl der Kurzatmigkeit oder Atemnot,
  5. Erstickungsgefühle,
  6. Schmerzen oder Beklemmungsgefühle in der Brust,
  7. Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden,
  8. Schwindel, Unsicherheit, Benommenheit oder der Ohnmacht nahe sein,
  9. Derealisation (Gefühl der Unwirklichkeit) oder Depersonalisation (sich losgelöst fühlen),
  10. Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden,
  11. Angst zu sterben (Todesangst),
  12. Parästhesien (Taubheiten oder Kribbelgefühle),
  13. Hitzewallungen oder Kälteschauer."

Von diesen 13 Symptomen müssen also nicht immer alle vorliegen, aber es müssen immer mindestens 4 davon vorhanden sein, damit man von einer Panikattacke sprechen kann. Wenn jemand weniger als 4 der genannten Symptome aufweist, dann wird von einer Panikattacke mit unvollständiger Symptomatik gesprochen. Wenn zusätzlich andere Symptome als die aufgeführten auftreten, dann spricht man von einer panikähnlichen Attacke. Diese Unterscheidung ist insofern wichtig, weil vollständige Panikattacken für eine Diagnose einer Panikstörung notwendig sind und atypische Panikattacken oft auf andere Störungen als eine Angststörung hinweisen. Damit ist bereits angesprochen, daß Panikattacken oder panikähnliche Zustände bei vielen psychischen Störungen auftreten und nicht nur bei Angststörungen oder gar Panikstörungen im besonderen. Auch bei rein körperlichen Krankheiten und der Einnahme von Drogen und Medikamenten kann es zu Panikattacken kommen, u.a. bei

  • Gleichgewichtsstörungen (z.B. Morbus Menière)
  • Herzkrankheiten mit Rhythmusstörungen (z.B. Angina pectoris, Mitralklappenprolaps)
  • Lungenkrankheiten (z.B. Lungenembolie, Asthma bronchiale)
  • Migräne
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Unterzuckerung
  • Drogenkonsum (alle Drogen einschließlich Alkohol)
  • Einnahme von Neuroleptika
  • Einnahme von Sympathomimetika (z.B. Nasentropfen, Appetitzügler)
  • starkem Kaffee-Genuß

Da auch Kaffee-Genuß und Alkohol-Konsum zu Panikattacken führen können, können Panikattacken auch einmal bei jemandem auftreten, der nicht psychisch oder anderweitig krank ist.

Unter den psychischen Störungen können Panikattacken bei

  • Schizophrenie
  • Depression
  • Zwangsstörung
  • Somatoforme Störungen

vorkommen.

Charakteristisch sind Panikattacken jedoch für die Angststörungen wie z.B. den Phobien und namensgebend sind sie für die Panikstörung. Der Unterschied zwischen den Attacken bei den Phobien und den Panikstörungen besteht darin, daß Panikattacken bei den erstgenannten Störungen typischerweise durch Objekte und Situationen ausgelöst werden, so z.B. wenn ein Schlangenphobiker mit einer Schlange konfrontiert wird. Dagegen treten die Panikattacken bei den Panikstörungen in der Regel ohne einen erkennbaren Auslöser auf.

Das DSM-IV unterscheidet zwischen Arten von Panikstörungen:

  • Panikstörung mit Agoraphobie
  • Panikstörung ohne Agoraphobie.

Da diese Unterteilung bereits darauf hindeutet, daß Panikstörung häufig mit der Agoraphobie zusammenauftritt, soll an dieser Stelle auch auf die Agoraphobie eingegangen werden.

Unter Agoraphobie versteht man “die Angst, an Orten zu sein, von denen eine Flucht schwierig (oder peinlich) sein könnte oder wo im Falle einer unerwarteten oder durch die Situation begünstigten Panikattacke oder panikartiger Symptome Hilfe nicht erreichbar sein könnte” (DSM-IV). Die Ängste von Agoraphobikern betreffen meistens bestimmte Arten von Situationen wie Einkaufen, Reisen im Bus, Zug oder Auto, das Stehen auf einer Brücke. Aufgrund der Angst werden diese Situationen vermieden oder nur in Begleitung oder nur unter großer Angst vor dem Auftreten panikähnlicher Symptome aufgesucht. Für eine Agoraphobie, bei der niemals vollständige Panikattacken auftraten, hat das DSM-IV die Störungskategorie Agoraphobie ohne Panikstörung in der Vorgeschichte vorgesehen.

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Panikstörungen

Panikstörungen zeichnen sich durch wiederholtes Auftreten von unerwarteten Panikattacken aus, die zur Folge haben, daß die betroffene Person  über mindestens einen Monat besorgt ist, daß weitere Attacken auftreten, sich Sorgen darüber macht, welche Bedeutung die Attacken oder welche Konsequenzen sie haben (z.B. daß sie verrückt wird) und ihr Verhalten aufgrund der Attacken bedeutsam ändert (z.B. Kündigung des Arbeitsplatzes).

Sowohl die Anzahl als auch die Schwere der Panikattacken sind bei Panikpatienten sehr unterschiedlich. Manche Personen erleben regelmäßig (z.B. einmal pro Woche) Attacken mittleren Grades über einen Zeitraum von mehreren Monaten, andere dagegen in kurzen Zeiträumen sehr viele, schwere Attacken (z.B. eine Woche lang täglich), die durch Wochen und Monate mit wenig oder ohne Attacken abgelöst werden.

Panikstörungen treten in ca. 80% der Fälle vor dem 30. Lebensjahr auf. Das Ersterkrankungsalter liegt in fast allen Fällen zwischen der späten Adoleszenz und Mitte 30 mit der größten Häufigkeit um Mitte 20. Nach dem 45. Lebensjahr oder in der Kindheit treten nur sehr wenige Fälle zum ersten Mal auf. Die Störung beginnt mit dem plötzlichen Auftreten einer Panikattacke und oft kommen innerhalb eines Jahres bei wiederholten Panikattacken  agoraphobische Symptome bei einem Teil der Patienten hinzu. Ingesamt beträgt der Anteil der Panikpatienten mit Agoraphobie ca 50%. Der Verlauf einer Panikstörung ist in der Regel chronisch, wenn sie nicht behandelt wird. 50-80% der Patienten zeigen keine oder nur eine sehr leichte Besserung, bei 10-30% entwickeln sich mittlere bis schwere Symptome.

Die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben eine Panikstörung zu erleiden, beträgt zwischen 1,5 und 2%. Sie ist bei Frauen ca. doppelt so hoch wie bei Männern. Im Falle einer Panikstörung mit Agoraphobie verschiebt sich das Verhältnis zu 3:1 zuungunsten der Frauen. Biologische Verwandte ersten Grades von Panikpatienten weisen eine fünf- bis siebenmal höhere Wahrscheinlichkeit auf, an einer Panikstörung zu erkranken, als die Allgemeinbevölkerung. In Zwillingsstudien fand man, daß die Häufigkeit, daß beide Zwillinge erkranken, bei eineiigen Zwillingen größer ist als bei zweieiigen.

Oft tritt die Panikstörung im Verbund mit anderen psychischen Störungen auf:

Störung

Häufigkeit und Bemerkungen

Major Depression

50 – 65%

bei 33% geht die Depression voran

Medikamenten- und Alkoholabusus sowie Störungen in Zusammenhang mit psychotropen Substanzen

v.a. aufgrund von Selbstbehandlungsversuchen

Soziale Phobie

15 – 30%

Zwangsstörung

8 – 10%

Spezifische Phobie

10 – 20%

Generalisierte Angststörung

25%

Störung mit Trennungsangst in der Kindheit

 

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Vermutete Ursachen von Panikstörungen

Neben genetischen Faktoren aufgrund der höheren Erkrankungswahrscheinlichkeit von biologischen Verwandten ersten Grades nimmt man auch Neurotransmitterstörungen im Bereich des noradrenergen und serotonergen Systems an. Auch Auffälligkeiten im Locus coeruleus weisen auf biologische Beiträge bei der Verursachung der Störungen hin.

Unter den psychologischen Theorien gibt es für das Fehlbewertungsmodell von Clark (1986) viele stützende empirische Befunde: Das Modell beschreibt einen Teufelskreis, bei dem der Anfang durch eine Panikattacke gebildet wird. Aufgrund dieser Attacke entsteht eine verstärkte Selbstwahrnehmung (z.B. Herzschlag), die als Warnsignal für pathologische Vorgänge interpretiert wird. Durch die Selbstbewertung („jetzt geht’s los“, „ich bekomme einen Herzinfarkt“) bzw. die Bewertung der Körpersignale als pathologische Veränderungen kommt es zu einer verstärkten Aktivierung (z.B. Hyperventilation) und der Interpretation der Attacke als Katastrophe, was zur Exazerbation (Verstärkung der Symptome) führt, die wiederum die Selbstwahrnehmung beeinflußt, und der Teufelskreis beginnt von vorn.

Die Annahme, daß Menschen mit einer verstärkten Selbstwahrnehmung für die Entwicklung einer Panikstörung anfälliger sind, ist empirisch gut belegt. So konnten Maller und Reiss (1992) zeigen, daß Personen mit hoher Angstsensibilität entwickeln innerhalb von 3 Jahren 5mal häufiger eine Panikstörung entwickeln.

Warum es bei einigen Menschen eine verstärkte Selbstwahrnehmung gibt, ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch einige Hinweise, daß bei diesen Menschen

  • unangemessene Bewältigungsstrategien,
  • fehlende soziale Unterstützung,
  • eine Kindheit, die von Unvorhersehbarkeit und fehlender Kontrolle geprägt war,
  • Überreaktionen der Eltern auf körperliche Symptome,

vorliegen.

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Therapie von Panikstörung und Agoraphobie

Zur Behandlung der Panikstörung und der Agoraphobie werden sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Verfahren eingesetzt.

Medikamentöse Therapie

Psychotherapie

 

Medikamentöse Therapie

Die Therapie der Panikstörung und der Agoraphobie ist mit zahlreichen Medikamenten versucht worden. Für zwei Gruppen gibt es hinreichende wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise: Antidepressiva und Benzodiazepine.

Antidepressiva

Unter den Antidepressiva sind trizyklische Antidepressiva (TZA) und selektive Serotonin-Wiederaufnahme- hemmer (SSRI) nachgewiesenermaßen wirksam.

Für die TZA Imipramin und Clomipramin liegen zahlreiche placebokontrollierte Wirksamkeitsnachweise vor. Demnach führt Imipramin bei 70-90% der behandelten Patienten kurz und mittelfristig (bis zu 1 Jahr) zu einer Besserung der Beschwerden (bei ca. 40% zum vollkommenen Abklingen oder einer weitgehenden Reduktion der Beschwerden). Die Besserung hängt nicht davon ab, ob die Patienten zusätzlich zur Panikstörung eine Depression aufweisen. Die antipanische Wirkung setzt 2 bis 6 Wochen nach Beginn der regelmäßigen Medikamenteneinnahme ein, danach folgt die antiphobische Wirkung. Initial sollte die Dosis bei nur 10 mg liegen und in Schritten von 10 mg und später von 25 mg erhöht werden, bis die therapeutisch wirksame Dosis von mindestens 100 bis 150 mg Imipramin erreicht ist. Bei mangelnder Wirkung kann die Dosis bis auf 400 mg erhöht werden. Der Grund für diese einschleichende Dosierung liegt in den belastenden Nebenwirkungen, die sich bei ca. 30% der Patienten zu Beginn der Behandlung zeigen: Ängste, Unruhe, Schlafstörungen, Zittern und erhöhte Herzfrequenz. Diese Nebenwirkungen verschwinden jedoch gewöhnlich nach wenigen Tagen, stellen aber einen wesentlichen Grund für die hohe Quote an Therapieabbrechern von ca. 25% dar. Die Therapie mit TZA sollte mindestens 6 bis 18 Monate andauern, da ein frühes Absetzen der Medikamente sehr wahrscheinlich zu erneuten Panikattacken führt. Zwar senkt ein längerer Einnahmezeitraum die Rückfallquote, er garantiert aber keine vollständige Genesung. Ein Teil der Patienten weist also trotz erfolgreicher Therapie einige Beschwerden auf. Als medikamentöse Nebenwirkungen einer längeren Behandlung können Mundtrockenheit, Obstipation, Miktionsbeschwerden und Schwindel auftreten.

Als Alternative zu TZA können selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt werden. Zu diesen Medikamenten gehören Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin. Citalopram und Paroxetin sind zur Behandlung der Panikstörung in Deutschland zugelassen. Wie die TZA wirken sie nachgewiesenermaßen antipanisch und antiphobisch. Die therapeutische Wirksamkeit zeigt sich ebenfalls erst nach einigen Wochen. SSRI gelten als schonender als TZA. Die Abbruchquote liegt daher tendenziell niedriger als diejenige der Therapie mit TZA (18% vs. 30%). Dennoch treten zu Beginn bei mehreren Patienten Nebenwirkungen wie Unruhe, Erregung und Schlafstörungen auf. Sie führen jedoch in weniger Fällen zum Therapieabbruch (18% SSRI vs. 30% TZA).

Benzodiazepine

Die Wirkung gegen Panikstörung und Agoraphobie ist für Alprazolam (Tafil®), Clonazepam, Lorazepam und Diazepam (Valium®) nachgewiesen. Alprazolam ist in Deutschland für die Behandlung dieser Störungen zugelassen. Der Vorteil der Benzodiazepine liegt im sofortigen Wirkungseintritt und in den sehr geringen Nebenwirkungen bei kurzfristiger Behandlung. Bei langfristiger Einnahme können jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen wie Persönlichkeitsveränderungen, Störungen der Psychomotorik und Muskelschwäche, Vergeßlichkeit sowie ängstliche und depressive Verstimmungen auftreten. Benzodiazepine führen bei längerfristiger Einnahme zur Abhängigkeit, auch bei niedrigen Dosierungen. Der Entzug ist kompliziert und darf nur in kleinen Schritten über einen längeren Zeitraum erfolgen. Abruptes Absetzen führt gewöhnlich zu einem verstärkten Auftreten der ursprünglichen Beschwerden und zu Entzugssymptomen. In manchen Fällen entwickelt sich ein Entzugsdelir.

Aus diesen Gründen gelten Benzodiazepine nicht als Methode der Wahl zur langfristigen Behandlung der Panikstörung und Agoraphobie. Sie können aber relativ ungefährlich für einen kurzen Zeitraum (2 bis 4 Wochen) oder sporadisch eingenommen werden.

Andere Medikamente

Neben Antidepressiva und Benzodiazepinen werden eine Reihe weiterer Medikamente gegen Panikstörung und Agoraphobie versucht, z.B. Beta-Blocker (z.B. Propranolol) und niedrig dosierte Neuroleptika (z.B. Imap®). Für sie gibt es bislang keine ausreichenden Wirksamkeitsnachweise bei diesen Störungen. Der Einsatz von Neuroleptika wird zudem deshalb nicht empfohlen, weil auch niedrige Dosierungen über einen längeren Zeitraum extrapyramidale Nebenwirkungen und Spätdyskinesien (siehe Pharmakotherapie der Schizophrenie) hervorrufen können.

Psychoedukation

Sehr wichtig für eine erfolgreiche medikamentöse Behandlung ist die Aufklärung der Patienten über die Wirkung der Medikamente, wann mit einem Wirkungseintritt zu rechnen ist, welche Nebenwirkungen es gibt und wie lange die Behandlung dauern wird. Dies ist deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil die Wirkung erst mit einigen Wochen Verzögerung einsetzt und in dieser Zeit einige belastende Nebenwirkungen auftreten können.

Wichtiger Hinweis: Die Angaben zu Art, Dosierung und Häufigkeit der Medikation entstammen medizinischer und psychologischer Fachliteratur. Eine Gewährleistung für die Richtigkeit der Angaben wird nicht übernommen. Alle Angaben sind eigenständig zu überprüfen. Die Gabe dieser Medikamente ist nur Ärzten gestattet. Siehe auch den Haftungsausschluß .

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Psychotherapie

Mehrere Arten von Psychotherapie werden zur Behandlung von Panikstörung und Agoraphobie eingesetzt, darunter kognitiv-verhaltenstherapeutische, psychodynamische und gesprächspsychotherapeutische. Kurz- und langfristig positive Wirkungen sind bislang jedoch nur für die Gruppe der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren in kontrollierten Studien nachgewiesen worden.

Von den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren können zwei als nachweisbar wirksam angesehen werden:

  • Exposition (Konfrontationstherapie)
  • kognitive Therapie.

Dabei gilt die kognitive Therapie als Methode der Wahl für die Behandlung der Panikstörung, während die Exposition der Goldstandard für die Behandlung der Agoraphobie ist.

Gemeinsam ist beiden Verfahren das Ziel, den Teufelskreis aus Angst und Flucht- / Vermeidungsverhalten zu unterbrechen und den Patienten Strategien zu vermitteln, mit ihrer Angst besser umgehen und sie besser bewältigen zu können. Betont wird die große Bedeutung das in der Therapie Erlernte in der Praxis anzuwenden und zu üben, damit sich ein langfristiger Erfolg einstellt.

Exposition

Die Exposition oder Konfrontationstherapie beinhaltet die Konfrontation des Patienten mit den Situationen, die bei ihm Angst auslösen. Sie besteht aus mehreren Abschnitten:

  • Problemanalyse : Patient und Therapeut erarbeiten zunächst, welche Situationen Angst auslösen und wodurch die Angst verschlimmert oder verringert wird.
  • Vermittlung eines Erklärungsmodells der Störung: Patient und Therapeut entwickeln gemeinsam ein Erklärungsmodell für die Schwierigkeiten des Patienten, wobei Beispiele aus der Problemanalyse herangezogen werden.
  • Planung der Exposition: Patient und Therapeut planen die Durchführung der eigentlichen Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen. Je nach Art der Durchführung kann der Patient gezielt Techniken erlernen, um während der Konfrontationen besser mit seiner Angst umgehen zu können (z.B. die Progressive Muskelentspannung oder ein Streßimpfungstraining).
  • Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen: Die eigentliche Exposition kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden (eine Erklärung der verschiedenen Arten findet sich hier):
    • in der Realität oder in der Vorstellung (in vivo oder in sensu)
    • über einen kurzen oder über einen längeren Zeitraum (kurz oder verlängert)
    • in Schritten der Annäherung an die am stärksten angstauslösenden Situationen oder sofortige Konfrontation mit diesen Situationen (graduiert oder massiert).
    • in Begleitung des Therapeuten oder allein (therapeutengeleitete Exposition oder Selbstexposition).
    • ohne oder mit medikamentöser Unterstützung.

Die Expositionsbehandlung kann als Einzel- oder als Gruppentherapie durchgeführt werden. In der Gruppentherapie werden Unterstützungsgruppen gebildet. Sie bestehen aus einigen Agoraphobikern, die gemeinsam zu den Konfrontationsterminen gehen und sich gegenseitig ermutigen, die Sicherheit der Gruppe zu verlassen und alleine Konfrontationsaufgaben durchzuführen.

Die Wirksamkeit der Expositionsbehandlung ist als hoch einzuschätzen. Überblicksarbeiten über die durchgeführten kontrollierten Therapiestudien zeigen, daß zwischen 60% und 76% der behandelten Patienten auf die Behandlung ansprechen. Die positive Effekte bestehen in einer Reduktion der Angst, einem weitgehenden Abbau des Vermeidungsverhaltens und sogar in tendenziellen Verbesserungen in anderen Bereichen mit psychischen Schwierigkeiten. Die erzielten Erfolge können auch über lange Zeiträume (bis zu 9 Jahren wurden untersucht) stabil bleiben, die Rückfallraten sind gering.

Diese Wirksamkeit ist für mehrere Arten der Expositionsbehandlung belegt. Allerdings ist die Konfrontation mit realen Situationen (Exposition in vivo) wirksamer als die Konfrontation in der Vorstellung. Wichtig ist außerdem, daß die Konfrontation pro Sitzung so lange stattfindet, bis der Patient eine Reduktion der Angst in der Situation bemerkt. Meistens erfordert dies Konfrontationen mit mindestens 2 Stunden Dauer. Die Befundlage zur unterschiedlichen Wirksamkeit von graduierter und massierter Konfrontation (mit einer Dauer bis zu 12 Stunden) ist uneinheitlich. Einige Autoren sprechen von größeren langfristigen Erfolgen, wenn die Konfrontation sofort mit den stärksten angstauslösenden Situationen stattfindet (massierte Exposition, Reizüberflutung, Flooding). Andere halten die graduierte Exposition für ebenso wirksam. Einige Verhaltenstherapeuten plädieren zudem dafür, auf die Therapeutenbegleitung ganz zu verzichten, weil sie überflüssig sei. Auch hinsichtlich der begleitenden Medikamenteneinnahme gibt es unterschiedliche Auffassungen: Einerseits lehnen manche Verhaltenstherapeuten eine Medikation während der Konfrontationsbehandlung kategorisch ab, weil die Patienten unter Beruhigungsmittel keine extremen Angstzustände hätten. Diese Zustände seien aber notwendig, damit die Therapie langfristig die größte Wirksamkeit entfaltet. Andererseits liegen zahlreiche Wirksamkeitsnachweise für die Konfrontationstherapie von Patienten vor, die begleitend Medikamente eingenommen haben.

Generell besteht das größte Problem der Konfrontationstherapie in der Akzeptanz durch die Patienten: Zwischen 15% und 25% lehnten sie aufgrund der schweren Belastung ab oder beendeten sie vorzeitig. Bei graduierter Exposition ist die Ablehnungsquote einigen Studien zufolge mit 5% allerdings deutlich geringer.

Kognitive Therapie

Die kognitive Therapie von Panikstörung und Agoraphobie geht auf Aaron T. Beck zurück (siehe das ursprüngliche Konzept der kognitiven Therapie). Sie wurde vorwiegend zur Behandlung spontaner Panikattacken entwickelt, für die man keine auslösenden Situationen identifizieren kann, so daß eine Exposition nicht möglich ist. Die kognitive Therapie gliedert sich in folgende Schritte:

  • Problemanalyse: Die Art, Intensität und Häufigkeit der Panikattacken und anderen Belastungen werden untersucht.
  • Vermittlung eines Erklärungsmodells : Aufklärung des Patienten über die Natur der Panikattacken, die Gründe der Körperempfindungen (z.B. bei plötzlicher Schwäche: mangelhafte Reaktion des Kreislaufs auf eine Lageveränderung des Körpers; Brustschmerzen: Schmerz geht auf die Spannung in ihrer Zwischenrippenmuskulatur zurück; Hyperventilation: harmlose Reaktion auf Streß) und die Neigung zu ihrer Fehlinterpretation durch den Patienten.
  • systematische Erarbeitung der Fehlinterpretationen , die während der Panikattacke auftreten. Es werden die Gründe ausführlich besprochen, die aus Sicht des Patienten für diese Interpretation sprechen, bevor alternative Erklärung für die Symptome angeboten werden.
  • In Verhaltenstests (biologische Provokationstests) werden die Patienten angeleitet zu überprüfen, welche der Erklärungen richtig ist: kontrolliertes Auslösen von Paniksymptomen, z.B. durch Auf- und Abhüpfen, Treppensteigen. Der Patient kann mit Hilfe des Therapeuten üben, die Symptome richtig zu interpretieren und sich vom Grübeln über seine Empfindungen abzulenken.
  • Ergänzend können Strategien zur Bewältigung von Angst und körperlichen Symptomen vermittelt werden: z.B. Entspannungstraining, Techniken zur Kontrolle der Herzfrequenz (Biofeedback).

Die kognitive Therapie der Panikstörung kann aufgrund mehrerer kontrollierter Therapiestudien als wirksam gelten. Es werden deutliche Besserungen und vollständige Reduktionen der Panikattacken bei bis zu 80-85% der Patienten berichtet, die auch Jahre nach der Therapie noch nachweisbar sind (bis zu 2 Jahre nachgewiesen).

Kombination von Exposition und kognitiver Therapie

Es wurde sowohl zur Behandlung der Agoraphobie als auch der Panikstörung versucht, die Expositionsbehandlung mit der kognitiven Therapie kombinieren, um ggf. eine noch größere Wirksamkeit zu erzielen. Die Befunde dazu sind allerdings uneinheitlich.

Vergleich mit der medikamentösen Behandlung

Einige Studien gingen der Frage nach, ob sich Exposition und kognitive Therapie in ihrer Wirksamkeit von der medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva oder Benzodiazepinen unterscheiden. Auch hier ist die Befundlage uneinheitlich. Man kann aber aufgrund der Untersuchungsergebnisse am ehesten davon ausgehen, daß die positiven Effekte nach Beendigung der jeweiligen Therapien ungefähr gleich sind.

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Ratgeber und Selbsthilfemanuale

Marks, I. (1993). Ängste verstehen und bewältigen. Berlin: J. Springer.

Mathews, A., Geldern, M. & Johnston, D. (2004). Platzangst. Ein Übungsprogramm für Betroffene und Angehörige. Karger.

Rufer, M., Alsleben, H. & Weiss, A. (2003). Stärker als die Angst. Ratgeber für Menschen mit Angst- und Panikstörungen und deren Angehörige. Urban & Fischer.

Schmidt-Traub, S. (2004). Angst bewältigen. Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie. Berlin: Springer.

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