Exposition
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Übersicht

Einführung

Systematische Desensibilisierung und Habituationstraining

Flooding

Wirksamkeit und Indikation von Expositionsbehandlungen

 

Einführung

Die Expositionsbehandlung (auch Konfrontationstherapie) gehört zu den klassischen Verfahren der Verhaltenstherapie. Sie besteht im Prinzip darin, daß der Patient mit dem angstauslösenden Objekt oder der angstauslösenden Situation konfrontiert wird. Die Behandlung birgt sowohl große Chancen auf eine schnelle Beseitigung der Beschwerden als auch große Risiken bzgl. einer Verfestigung und Erweiterung von Angstsymptomen (Angstlerntraining).

Es lassen sich verschiedene Methoden der Expositionsbehandlung danach unterscheiden, wie die angstauslösenden Situationen präsentiert werden und wo die Konfrontation stattfindet:

  • Art der Präsentation: langsam-graduell vs. schnell-massiert.
  • Modalität: in der Vorstellung (in sensu) vs. in der Umwelt (in vivo).

Aus der Kombination dieser Aspekte ergeben sich unterschiedliche Behandlungsverfahren:

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Systematische Desensibilisierung und Habituationstraining

Die Systematische Desensibilisierung (SD) wurde in den 50er Jahren von Joseph D. Wolpe entwickelt und galt lange Zeit als das Verfahren der Verhaltenstherapie schlechthin. Die zentrale Annahme Wolpes lautete, daß körperliche Entspannung mit körperlicher Anspannung unvereinbar ist und die Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz im entspannten Zustand zu einer konditionierten Hemmung der Angstreaktion führt. Das Ziel der SD ist also die Aufhebung der Assoziation von angstauslösenden Reizen mit Angstreaktionen. Die dazu verwendete Methode ist eine mehrfache, gestufte Konfrontation mit diesen Reizen in der Vorstellung (in sensu). Die Konfrontation geschieht im Zustand der Entspannung, den der Patient häufig unter Zuhilfenahme einer Entspannungstechnik hervorruft.

Die Durchführung der Systematischen Desensibilisierung verläuft in mehreren Schritten: Der Therapeut sammelt zu Beginn wichtige Informationen über das Problemverhalten des Patienten und seine Bedingungen und Konsequenzen, aber auch über die Lebensumstände, den familiären Hintergrund und die sozialen Beziehungen zu wichtigen Personen (Anamnese, Verhaltenanalyse). Mit diesen Informationen erstellt er ein hypothetisches Bedingungsmodell des Angstverhaltens, anhand dessen eine Auswahl an zusammenhängenden angstauslösenden Reizen getroffen wird. Diese Reize werden in einer Hierarchie angeordnet, wobei die Position eines Reizes durch den Grad an Angst bestimmt wird, den dieser Reiz auslöst (Angsthierarchie). Dem Patienten werden Informationen und Hintergründe zu dem Verfahren der SD und seinem Zweck (Gewöhnung an angstauslösende Situationen) vermittelt. Anschließend lernt der Patient, sich mit Hilfe eines Entspannungstrainings (z.B. Progressive Muskelentspannung) tief entspannen zu können.

Die eigentliche Therapie beginnt damit, daß sich der Patient entspannt und sich in diesem Zustand den am wenigsten angstauslösenden Reiz der Angsthierarchie so lange vorstellt, bis dieser Reiz keine Angst mehr auslöst. Während der Desensibilisierung soll der Patient den Reiz sowie seine gedanklichen, emotionalen und physiologischen Reaktionen genau beschreiben. Falls der Patient sich trotz längerer Exposition einen Reiz der Angsthierarchie nicht angstfrei vorzustellen vermag, so wird wieder mit dem nächstschwächeren Reiz geübt oder ein Reiz ermittelt, der zwischen dem bewältigten und dem nicht-bewältigten Reiz steht und mit dem dann geübt werden kann.

Die Dauer einer Therapiesitzung in Systematischer Desensibilisierung wird unterschiedlich veranschlagt. Sie reicht von weniger als 30 Minuten bis zu mehreren Stunden. Kurze SD-Sitzungen gelten als weniger effektiv und womöglich auch als potentiell angststeigernd. Bei Beginn einer neuen Sitzung muß mit Reizen begonnen werden, die in der Angsthierarchie weit unter dem Reiz stehen, der zuletzt bearbeitet wurde.

Systematische Desensibilisierung ist v.a. bei phobischen Reaktionen angezeigt. Je isolierter die Reaktion ist, desto besser sind die Erfolgsaussichten der Behandlung. Bei Agoraphobien oder Angst im Rahmen von Depression ist SD weniger geeignet.

Bei der Systematischen Desensibilisierung findet die schrittweise Konfrontation mit den angstauslösenden Objekten und Situationen in der Vorstellung statt. Es ist aber auch möglich, die Konfrontation in der Realität durchzuführen. In diesem Fall spricht man von gradueller Exposition in vivo oder von Habituationstraining.

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Flooding

Flooding (Überflutung ) unterscheidet sich von der Systematischen Desensibilisierung und dem Habituationstraining dadurch, daß die Behandlung massiert und schnell durchgeführt wird. Sie kann sowohl in der Vorstellung (Flooding in sensu) oder in der Realität (Flooding in vivo) durchgeführt werden.

Flooding in sensu (oder Implosionstherapie) geht auf Thomas Stampfl zurück und dient v.a. dem Zweck, beim Patienten durch massive Vorstellung der am stärksten angstauslösenden Situationen die Gefühle und Gedanken in höchster Intensität auszulösen, die am stärksten mit der Angst zusammenhängen. Es handelt sich daher in erster Linie um Reaktionsüberflutung. Dies führt zuerst zu einem erheblichen Anstieg der Angstreaktionen. In der Folge kommt es jedoch zu einem spontanen Rückgang der belastenden Gefühle und Gedanken. Der Patient lernt durch direkte Anleitung des Therapeuten, mit diesen Gefühlen und Gedanken unter Anwendung hilfreicher Techniken umzugehen, und wird dadurch in die Lage versetzt, ohne therapeutische Begleitung die angstauslösenden Situationen / Reize in seiner Umwelt aufzusuchen und sie zu bewältigen.

Im Gegensatz dazu wird der Patient beim Flooding in vivo unter therapeutischer Begleitung mit den tatsächlichen Angstsituationen und -reizen konfrontiert. Ziel ist es, durch Konfrontation mit den am stärksten angstauslösenden Reizen (Reizüberflutung) beim Patienten eine Reaktionsüberflutung wie bei der Implosionstherapie herbeizuführen. Dadurch soll der Patient die Erfahrung machen, daß die Angst keine katastrophalen Auswirkungen hat und von selbst wieder abnimmt. Während der Konfrontation kann der Patient vorher geübte Bewältigungsstrategien anwenden. Allerdings werden auch Konfrontationen durchgeführt, ohne daß vorher Bewältigungsstrategien eingebüt wurden.

Im englischsprachigen Raum wird im Zusammenhang mit Flooding oft der Begriff “Exposition-Reaktionsverhin- derung” (Exposition Response-Prevention) genannt. Allerdings wird beim Flooding nicht die Verhinderung jeglicher Reaktionen angestrebt, sondern nur die solcher Gedanken und Verhaltensweisen, die mit der Vermeidung der angstauslösenden Situationen verbunden sind. Das Herbeiführen der Angstreaktionen ist dagegen das Ziel des Floodings, denn ohne sie kann der Patient keine Erfahrungen mit diesen Reaktionen sowie dem Einsatz von Bewältigungsstrategien machen, so daß es auch zu keiner Veränderung im Verhalten kommen kann.

Da Flooding zu einer massiven Belastung des Patienten führt, ist ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zwischen Patient und Therapeut eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg der Behandlung. Der Therapeut sollte zudem über ausreichende Kenntnisse in der Theorie und Praxis der Methode verfügen, da eine mangelhafte Durchführung oder der Einsatz bei nicht geeigneten Personen zur Verschlechterung des psychischen Zustandes der Patienten führen kann. Wichtig ist auch, daß der Patient eine genaue Vorstellung davon hat, wofür sich der hohe Einsatz bei diesem Verfahren lohnt.

Eine Flooding-Therapie umfaßt meistens 1-3 Sitzungen an aufeinanderfolgenden Tagen, die auch durch 1-2 Ruhetage unterbrochen sein können. Jede Sitzung dauert 2 bis 5 Stunden mit Pausen. Vor den Sitzungen muß der Patient umfassend über das informiert werden, was während der Sitzungen geschieht, was er dabei tun sollte und welche Ziele mit der Behandlung verfolgt werden. Dies geschieht anhand eines psychologischen Erklärungsmodells, aus dem heraus die einzelnen Schritte der Behandlung abgeleitet werden. Während der Flooding-Sitzung erfolgt die Exposition zu den angstauslösenden Reizen meist zwar auch gestuft wie bei der SD, aber sehr rasch. Es wird nicht abgewartet, bis ein Reiz nicht mehr als angstauslösend erlebt wird, sondern bereits nach Überschreiten des Höhepunkts der Angst auf einen Reiz erfolgt die Konfrontation mit dem nächsten. Die Dauer der Konfrontation mit einem Reiz allein beträgt deshalb meistens nicht länger als wenige Minuten. Während der Konfrontation soll der Patient versuchen, seine Reaktionen so genau wie möglich zu beschreiben. Diese Beschreibung sollte möglichst frei sein von positiven oder negativen Erwartungen, die der Patient vorher über die Effekte der Therapie gebildet haben könnte, denn eine gedankliche Neubewertung der angstauslösenden Situationen erfolgt oft allein schon durch die Erfahrungen, die bei der massiven Konfrontation mit den Situationen gemacht werden. Dementsprechend ist eine Erweiterung der Flooding-Therapie um kognitive Methoden nicht notwendig und führt laut empirischen Forschungsbefunden auch zu keiner Steigerung in der Effizienz der Therapie.

Im allgemeinen ist Flooding bei Phobien und Sozialen Phobien, bei Zwangsstörung, Bulimie und zur Rückfallprophylaxe bei Abhängigkeitserkrankten einsetzbar. Aufgrund der massiven Belastungen bei dieser Behandlung ist sie aber u.a. nicht bei Patienten mit körperlichen Krankheiten wie z.B. des Herz-Kreislauf-Systems angezeigt. Auch bei Patienten mit psychotischen Phasen in der Krankengeschichte soll Flooding nicht angewendet werden, da die Belastungen neue psychotische Schübe auslösen können. In solchen Fällen ist Systematische Desensibilisierung vorzuziehen. Dies gilt nicht für Patienten mit Panikattacken, da trotz einer erfolgreichen SD-Behandlung ein großes Risiko besteht, daß erneut Panikattacken auftreten und sich ein Rezidiv bildet, weil keine Bewältigungstechniken für den Umgang mit der Angst erlernt wurden.

Die Flooding-Behandlung ist als Teil einer umfassenderen Gesamtbehandlung umfassend auf ihre Wirksamkeit untersucht worden. Internationale Langzeituntersuchungen zeigen Erfolgsquoten von 60-80%. Wenn die Patienten umfassend über die Inhalte der Therapie aufgeklärt werden, liegt die Ablehnungsquote auch nur zwischen 10-20%. Im Vergleich zur Systematischen Desensibilisierung ist Flooding bei schweren Phobien und Zwängen die überlegenere Methode. Die Vorteile des Flooding bestehen in der aktiven Mitarbeit des Patienten, der Vermittlung von Bewältigungstechniken für Angstzustände, dem relativ geringen Zeitaufwand und der Möglichkeit für den Patienten, sich in höchsten Erregungszuständen intensiv mit seinen Problemen auseinanderzusetzen, wodurch sich Hinweise auf mit anderen als der Flooding-Methode zu bearbeitende Probleme ergeben können.

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Wirksamkeit von Expositionsbehandlungen

Die Wirksamkeit von Expositionsbehandlungen ist in zahlreichen Studien belegt worden. In der Meta-Analyse von Grawe, Donati und Bernauer (1994; vgl. Tabelle) zeigte sich eine eindrucksvolle Wirksamkeit v.a. in der Hauptsymptomatik der behandelten Störungen (v.a. Phobien und Zwänge). Effekte in anderen Bereichen scheinen Konfrontationstherapien sehr viel seltener zu haben.

Die Systematische Desensibilisierung eignet sich besonders gut zur Behandlung spezifischer Phobien und von Prüfungsängsten. Weniger gut ist sie bei komplexeren Ängsten und Agoraphobien einsetzbar. Katamnesen (Untersuchungen nach Therapieende) belegen die Stabilität der positiven Veränderungen, auch für längere Zeiträume (mehr als 6 Monate nach Therapieende). Für eine “Symptomverschiebung” nach Ende der Behandlung gibt es daher keine Belege.

Auch für das Habituationstraining konzentrieren sich die positiven Effekte auf die Hauptsymptomatik der Störungen. Allerdings ist der Anwendungsbereich im Vergleich zur Systematischen Desensibilisierung breiter und bezieht auch komplexere Ängste und Zwänge mit ein. Die Wirkung bleibt über längere Zeiträume erhalten. “Symptomverschiebungen” fanden sich auch für diese Art der Expositionsbehandlung nicht.

Die Implosionstherapie zeigt seltener positive Wirkungen als die beiden erstgenannten Therapiearten. Sie beschränken sich zudem im wesentlichen auf die Hauptsymptomatik von spezifischen Phobien.

Das Flooding in vivo ist besonders für Agoraphobie, Zwänge und spezifische Phobien geeignet. Die Wirksamkeit gegen die Hauptsymptomatik dieser Störungen ist außerordentlich hoch.

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